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freitag, 11. januar 2008, 19 uhr:
Eröffnung der Ausstellung von
patrizia karda
»in welche richtung geht die erinnerung?«
12. januar bis 22. februar 2008
künstlergespräch mit nadia ismail
am 16. februar, 16 uhr

Patrizia Karda greift mit ihren fotografischen Arbeiten installativ in Räume ein, um diese zu transformieren, aber auch um die Besonderheiten des jeweiligen Raumes hervorzuheben. Sie nimmt Strukturen des Raumes auf, erweitert oder verändert diese durch ihre Fotografien als auch installative Zusätze von einfachem Baumaterial wie z.B. Dachlatten, Kartons, Kabel, Stellwänden etc. Die Fotografien werden dafür dem jeweiligen Raum angepasst und können in den verschiedensten medialen Inszenierungen in den Raum eingebunden werden. Diese sich immer wandelnde Präsentationsweise und der damit verbundene temporäre Charakter sind wichtige Bestandteile der Arbeit von Patrizia Karda.
In den neu inszenierten Räumen spielen sowohl die vorgefundene Raumsituation als auch der Fundus an Bildern eine Rolle. Die Fotoarbeiten zeigen Innenräume oder Landschaftsstrukturen, welche sich zwischen Chaos, Ordnung und Ornamentik bewegen. Sie bezeichnen Orte, die offensichtlich vom Menschen benutzt, aber doch verlassen sind.
Die Bildmotive treten in einen Dialog mit dem realen Raum, erweitern ihn und fächern weitere Raumebenen auf. Es entsteht eine Verknüpfung von Realraum und Fiktion, die der Betrachter innerhalb der Installation aktiv durchwandern kann. So wird die Wahrnehmung umgekehrt, das Bild wird in den Raum erweitert und der Raum wird zum Bild transformiert.
In der Ausstellung »In welche Richtung geht die Erinnerung?« wird Patrizia Karda dem makellosen White Cube der Galerie fotografisch-installative Positionen des Chaos und der Erinnerung entgegensetzen. Fotografien von geschichtsträchtigen, verlassenen oder verwahrlosten Räumen werden als Tapete, als Wandbild sowie als Installationen im Galerieraum platziert.
Ein Backlight Print zeigt den weitläufigen Blick in einen Dachstock und ist eingebettet in eine Installation aus Holzlatten, die den Sog ins Innere verstärken und die Fiktion in die Realität überführen. Die Materialität im Abbild wird durch die Haptik des Holzes im Raum scheinbar doppelt greifbar. Doch das Kulissenhafte der Wände entlarvt auch dies als Farce. »Schmutzschleuse« nennt die Künstlerin dieses Werk und schleust den Betrachter auf Holzbohlen durch Schmutz und Spinnenweben, vorbei an Kammern und Lichtschleusen in dunkle, mysteriöse (Erinnerungs-)welten.
Der fotorealistische Kamin, welcher gegenüber dieser Installation zu sehen ist, scheint den Betrachter ebenfalls in seinen Schlund zu ziehen. Er ist Teil des Werks »Nackt bin ich anders«, welches als Tapete inszeniert wird. Die Bildmotive beider Werke sind im selben Gebäude entstanden – einem Hotel aus dem 19. Jahrhundert, das geschichtsträchtiger nicht sein könnte. Das barocke Ambiente und das Farbenspiel des Marmors in diesem Bild ergänzen und konterkarieren die Materialität des Holzes der »Schmutzschleuse«. Erst auf den zweiten Blick entdeckt man das Groteske, das sich über dem Kamin abspielt. Die nackten Körperstellen der Figuren auf dem Wandgemälde sind durch eigens genähte Stoffkleidchen abgehängt worden. Die Veränderung der Zeiten und Ansichten spiegeln sich in diesen kleinen Details.
Weitere verlassene Räume, welche der Imagination freien Lauf lassen, sind in den Werken »Tarzan«, »Die Jury« und »Marias Schuppen« zu sehen. Welche Art von Fest fand hier wohl statt? fragt man sich vor der Arbeit »Tarzan«. Eine Girlande aus Wimpeln und ein Poster eines Fallschirmspringers scheinen die Antwort auf diese Frage nicht zu beschleunigen eher zu verwirren. Die Situation in der Arbeit »Die Jury«, welche die Künstlerin nicht inszeniert, sondern so vorgefunden hat, zeigt auf schelmische Art den Stuhl als Repräsentanten des Menschen. Wen oder was diese drei wohl bewerten? Besinnlicher wird es in der Arbeit »Maria’s Schuppen«, die malerisch wie der späte Tizian wirkt. Vereinzelt dringt durch Ritzen Licht in das Dunkel, doch das Bild wird dadurch nicht klarer, nur verwunschener.
Im Untergeschoss der Galerie wird das Thema Erinnerung in einer weiteren Installation aufgegriffen. Kartons stehen vor mit Packpapier verkleideten Wänden und präsentieren alte Kristallvasen, die durch Lichtquellen in Szene gesetzt werden. Das Licht (und unsere Wahrnehmung) werden im Glas der Vasen gebrochen und die Strahlen verteilen sich in den unterschiedlichsten Richtungen – räumlich als auch gedanklich.
Die Kartons zeugen davon, dass die Künstlerin, die Vasen bei Ebay ersteigert hat - der Börse zum Verkauf und Kauf von Erinnerungsstücken.
Die Arbeit »Sessel Nr. 15« flankiert die Vasen-Armada und zeigt wiederum eine Anhäufung von Erinnerung. Der Titel erinnert an den berühmten Stuhl Nr. 14 den Michael Thonet Mitte des 19. Jahrhunderts entwarf, verweist aber eigentlich auf die Zahl die per Hand auf einen Sessel geschrieben wurde.
Zwischen Holz, Kartons, Kristallvasen und Bildern voller Verweise an vergangene Zeiten lädt Patrizia Karda ein zum Stöbern in Erinnerungen und zum Schweifen in Geschichten.

PATRIZIA KARDA, »SCHMUTZSCHLEUSE«, 2007