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KARIN SUTER
»speculations about gates of paradise«

ERÖFFNUNG: FREITAG, 19. JUNI 2009, 19 UHR

AUSSTELLUNG: 20. JUNI BIS 31. JULI 2009

Kreisläufe von Werden und Vergehen sowie das Prozessuale interessieren die Schweizer Künstlerin Karin Suter (*1979), die vergängliche und künstliche Materialien zu poetischen Werken voll sinnlicher Materialästhetik verknüpft. Karin Suter lässt Natur und das Artefakt aufeinandertreffen und formt sie zu einem neuen, komplexen Ganzen. Ihre Materialien stammen aus der Natur und der Industrie, während sie ihre Ideen aus der Kunstgeschichte, der Literatur, der Astronomie und besonders der Mythologie schöpft. Der Ausstellungstitel geht zurück auf William Blakes Serie aus Gravüren »gates of paradise«, die das Leben von der Geburt bis zum Tod im Zusammenspiel mit den Elementen der Erde darstellen. Die in dieser Ausstellung präsentierten Arbeiten sind Untersuchungen zum ewig Zyklischen des Lebens und seinen Metamorphosen.

Ursprüngliches scheint auf in der Arbeit »Crater«. Archaische Formen eröffnen Assoziationen, die weit in die Menschheitsgeschichte zurückreichen. Formen, die so alt und doch so aktuell wirken. Auch Kunsthistorisches flackert auf in Erinnerungen an die Höhlen von Lescaux sowie an antike Formen.

Die Arbeit »nebula« thematisiert den Entstehungsprozess, den Karin Suter im Keim erstickt. Sie ›konserviert‹ in diesem Werk ein Saatkorn in Epoxiharz. Seinen Zweck der Reproduktion kann es nicht mehr erfüllen, doch es selbst wurde unsterblich gemacht. Es scheint sich mit Vehemenz und Widerhaken an der Leinwand festzukrallen und bildet eine geschlossene Form mit dieser, während sich das weitere Schwarz in eine offene, fließende Form ausdehnt.

Die Werke »I want« und »(Trophäe)« führen Vergängliches vor. Sie handeln von einem Glücksmoment, das einen Klimax bedeutet, der den Augenblick der Umkehrung schon in sich trägt. Wir streben danach, unsere Träume zu erfüllen, nur um festzustellen, dass die Erfüllung derselben sofort neue, unerreichbar scheinende Ziele nach sich zieht. »I want« kombiniert feinen Blütenstaub mit dem großen schwarzen Kreislauf der Vergänglichkeit. »(Trophäe)« erinnert an einen auf dem Sockel erhöhten Pokal, an den Lorbeerkranz für den Gewinner, aber auch an Jesus’ Dornenkrone oder an Stacheldraht.

Dem Weiß von »(Trophäe)« gegenüber steht das Schwarz von »Horns with ball«. Hier sehen wir die Reduktion auf das Wesentliche, das gleichzeitig eine enorme Komplexität in sich trägt. Wirkt diese Arbeit einerseits wie eine Versinnbildlichung von Kraft und Maskulinität, so enthält sie doch andererseits ebenfalls eine Leichtigkeit und Verspieltheit. Inspiriert ist dieses Werk von einem astronomischen Phänomen – dem Sternbild ›Cygnus x1‹, das in Symbiose mit einem schwarzen Loch existiert. Die beiden so gegensätzlichen Materien entziehen sich gegenseitig Kraft und gewinnen doch auch durch das Miteinander Energie. Diese Verbindung und Verschiebung der Energie- und Kraftfelder findet abstrakt und doch so figürlich Ausdruck in den Formen der Hörner und des im Englischen wunderbar zweideutigen »ball«. Eine zeichnerische Entsprechung findet diese skulpturale Arbeit in den Werken »speculations (Flügel)« und »speculations (schwarzer Kreis)«.

Das unergründliche Nichts, welches in der Astronomie als schwarzes Loch bezeichnet wird, brachte Malewitsch  malerisch auf den Punkt in Form seines schwarzen Quadrates, das Karin Suter im Werk »Wolke« zitiert. Das schwarze Quadrat, der Nullpunkt, das Ende und gleichzeitiger Aufbruch kombiniert die Künstlerin mit einer romantischen Wolkendarstellung, die alles beinhaltet, was Malewitsch zurücklassen wollte und doch auch Materialisierung von Nichts ist. Für Karin Suters eigene Entwicklung symbolisiert dieses schwarze Quadrat möglicherweise auch einen Neuanfang. Ihr künstlerisches Medium war zunächst die reine Malerei, bevor sie vor zwei Jahren, nach einem längeren Aufenthalt in China, einen Bruch wagte und damit begann, ihre flachen Werke zu Objekten und Rauminstallationen zu erweitern. »oscilations (small wood)« zeugt von diesem Übergang, von einem ersten zarten Schritt von der Malerei ins Objekthafte: Der abstrakte Farbauftrag wird zu einer Landschaft, unterstützt durch die Materialität und Struktur des unregelmäßigen Holzgrundes.

Eine dunkle Wolke ist auch auf der Arbeit »ohne Titel« zu sehen. Oder ist es doch ein Tintenfleck, der alle Buchstaben in sich bündelt? Aus ihm könnte man schöpfen, um die ›weiße Seite‹ zu füllen, die rechts als Ausschnitt zu sehen ist und die ewige Angst des Künstlers verdeutlicht, sie nicht füllen zu können. Das Zusammenspiel der Strukturen von Büttenpapier und weißer Wand, setzt beide Materialen eindrucksvoll in Szene.

Das weiße Rechteck setzt Karin Suter in Beziehung zu einem schwarzen Rechteck mit hängender Skulptur. »Kyknos« ist der Titel dieses Werks, der auf die mythologischen Helden verweist, die sich nach ihrem Tod in einen Schwan verwandelten. Langsam dreht sich das filigrane Geflecht im Lufthauch, verschwindet im Schwarz und taucht im Weiß wieder auf. Ein ständiger Kreislauf von Verschwinden und Sichtbarwerden, von Entstehen und Vergehen wird thematisiert, ebenso wie eine ständige Verwandlung der Form. Wie eine Malerei im Raum wirken Karin Suters Objekte.

Die Lichtinstallation »CRA (variations)« zeigt ein Nebeneinander von Licht und Schatten, Abstraktion und Gegenständlichkeit, von Natur und Artefakt, Formalismus und Narrativem, denn die strengen schwarzen Kreise scheinen sich auch wie Tierchen auf der Wand zu tummeln, während sie gleichzeitig schwarze Löcher und das Nichts versinnbildlichen. Eine poetische Studie zum Phänomen der gegenwärtigen Abwesenheit.

Die Kreisform als Kreislauf taucht in allen in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten auf, sei es formal oder inhaltlich. Das Fortlaufende und die Metamorphose spielen auch im Gesamtwerk der Künstlerin eine große Rolle. Ihre Themen unterzieht sie einer ständigen Transformation in unterschiedliche Materialien und lässt Versatzstücke älterer Werke in neueren Arbeiten auftauchen.
»speculations about gates of paradise« ist die erste Einzelausstellung von Karin Suter in Deutschland. Die Künstlerin lebt in Basel und Rotterdam.

Courtesy Karin Suter und Freymond-Guth & Co Fine Arts, Zürich