ANDREAS LORENSCHAT »YOU INSPIRE POETRY IN ME«
Eröffnung: Freitag, 15. Januar 2010, 19 Uhr
Ausstellung: 16. Januar – 04. April 2010
Der Künstler im Gespräch mit Christina Irrgang &
Gregor Jansen Am Samstag, 27. Februar 2010, 14 Uhr
Lesung am Samstag, 27. März, 14 UhR
Eröffnung: Freitag, 15. Januar 2010, 19 Uhr
Ausstellung: 16. Januar – 04. April 2010
Der Künstler im Gespräch mit Christina Irrgang &
Gregor Jansen Am Samstag, 27. Februar 2010, 14 Uhr
Lesung am Samstag, 27. März, 14 UhR
Es ist die sonore Farbwirkung des Lichts, und damit der Einsatz des Mediums Licht als Filter des Blicks, mit dem Andreas Lorenschat mittels der Installation »The Sunset Red« das Interieur, wie auch die Wahrnehmung des Betrachters beinahe cineastisch ausstaffiert: Das mit roter Farbfolie überzogene Schaufenster, wie auch die damit ummantelte Innenbeleuchtung der Galerie, hüllen den Ausstellungsraum, als auch die einzelnen Arbeiten in einen monochromen Lichtschein. Der vom Künstler verwendete, industriell so bezeichnete Lichtfilter ›Sunset Red‹ suggeriert dem Betrachter ein Stimmungsbild, wie es in der Filmbranche zur Simulation eines Sonnenuntergangs verwendet wird. Lorenschat thematisiert und persifliert damit gleichermaßen die Gratwanderung zwischen tatsächlicher und situativ manipulierter Betrachterperspektive, indem er die Blickfärbung des Betrachters vorgibt, und ihn darin eintauchen lässt.
Gleichsam erscheint so auch das Versinken in Geschichten und der Prozess des Schreibens in der Arbeit »Die Briefe (In 80 Briefen durch 80 Welten)«: Während der Laufzeit der Ausstellung wird täglich vom Künstler ein Brief verfasst, den er an die Galerie sendet. Die Briefe werden von der Galeristin geöffnet und unter Beibehaltung der Reihenfolge an einer dafür vorgesehenen Halterung an der Wand angebracht. An einem gegenüber den Briefen positionierten Tisch und Stuhl wird es dem Besucher der Ausstellung möglich sein, auf Anfrage in diesen Briefen zu lesen. Verfasst, ohne sich an einen spezifischen Adressaten zu richten, bestehen diese Briefe als Zeugnis eines inneren Monologs, der im Ereignis des Ausstellens zwischen Autor und Leser, zwischen Sender und unbestimmtem Empfänger als fiktiver Dialog zirkuliert. Während der Künstler mit diser Textarbeit in einem Format von insgesamt 80 Briefen gleichsam 80 prosaisch verfasste, wie auch persönlich gefärbte Erzählungen darlegt, begibt sich der Leser durch die von Lorenschat skizzierten Gedankenwelten, die sich im Galerieraum als eine Form des ›lauten‹ Nachdenkens entäußern. Der Vorgang des Schreibens als Manifestation eines Gedankens – und damit: das schriftliche Festhalten von fluktuierenden Gedankenbildern – formt hierbei gleichsam Inhalt und Korpus des von Lorenschat sukzessiv generierten Textobjektes, das sich erst in der Rezeption eines Lesers oder Zuhörers entfaltet. Am 27. März wird der Künstler so auch in einer Lesung einige ausgewählte Briefe vortragen.
Eine konkret fassbare Betrachtung des Selbst oder eines Gegenübers vermittelt das Installationsobjekt »Der Plato«: Vorbild des aus grau getöntem Spiegelglas gefertigten Objektes ist das kreisrunde Spiegelmodell ›Plato‹, wie es im Bauhandel erhältlich ist. Lorenschat hat die Sonderanfertigung des Spiegels mit einer Rundleuchte hinterlegt, wodurch sich im beleuchteten Zustand eine Art Korona um die Spiegelfläche legt, und das gestreute Licht an der Wandfläche verlaufsförmig ausbreitet. Durch die Verdunkelung des Spiegels und dessen zeitgleiche Hinterleuchtung entsteht hierbei eine Gegenlichtsituation, welche die Wahrnehmung des eigenen Spiegelbildes im Kontrast von Helligkeit und Dunkelheit trübt.
Ein sich in unregelmäßigen Zeitabständen veränderndes Licht geht von der Lichtinstallation »The Lights« aus, die aus zehn lose neben- und aneinander, vertikal an eine Wand gelehnte Leuchtstoffröhren besteht. Die Oberfläche einiger Röhren ist mit Wortfolgen beklebt, die je nach Positionierung der Lichtröhren verdeckt werden, womit sich die vollständige Lesbarkeit dem Blick des Betrachters entzieht. Bei den von Andreas Lorenschat applizierten Schriftzügen handelt es sich um Passagen aus dem Prolog des von Dylan Thomas verfassten Hörspiels »Under Milk Wood«. Während der walisische Schriftsteller in dem 1954 verfassten Stück übertragene Sehnsüchte, Träume und innere Gedanken unterschiedlicher Protagonisten eines Fischerdorfes beschreibt, sind es in Lorenschats Installation die partiell lesbaren Lettern, die als Momentaufnahme das zerklüftete Bild eines Gedankens – gleichsam einer unterbrochenen Erinnerung – sichtbar werden lassen. Die Positionierung der Lichtkörper im Raum, wie auch das darauf aufgetragene Schriftbild knüpft überdies an eine eigene Erinnerung des Künstlers an, die das Erscheinungsbild eines verwitterten hölzernen Zaunes in einem Schweizer Bergdorf nachzeichnet.
Das Schimmern und Glitzern einer bewegten Meeresoberfläche bei Nacht zeigt die Videoinstallation »Das Meer«, wobei die Lichtquelle, die den auf dem Meer funkelnden Glanz erzeugt, nicht auszumachen ist. Gleich einem Trugbild, in dem Realität und Fiktion miteinander verschmelzen, sind hier Tag- und Nachtansichten des Gewässers in einem surrealen Bildraum vereint, der den Bildgegenstand zwischen Vertrautheit und Befremdlichkeit changieren lässt.
In ähnlich abstrakt-subtiler Weise erscheint die 2-Kanal-Videoinstallation »The Dawn«, die eine Filmbildaufnahme einer Morgendämmerung an einer Meeresküste, und einen von einem Schauspieler dargebotenen Monolog zeigt, wobei die beiden bewegten Bilder gegenüber voneinander im Raum angeordnet sind. Während die Sequenz des Sonnenaufgangs sich im Minutentakt gleich bleibend wiederholt, wird der 30 Sekunden andauernde Sprechertext in einer Zeitspanne von 15 Minuten beständig repetiert. Tonlage, Gestik und Mimik des Sprechers verändern und intensivieren sich mit zunehmender Dauer, wohingegen die Aufnahme des Sonnenaufgangs ein unverändertes Setting bildet. Die Rede des männlichen Protagonisten entstammt einem Dialog aus dem von Adrienne Shelly realisierten Film »Waitress« (2007), in dem ein Junggeselle einer jungen Kellnerin namens Dawn seine Gefühle – nahezu grotesk – in spontan entsonnenen Reimen darlegt. Lorenschat hat diesen Dialog als Monolog verfasst, und so im Vis-à-vis der Bilder eine subtile Dialogsituation zwischen Akteur und Naturereignis erzeugt.
Der in dem Film »Waitress«, und so auch in der Videoinstallation »The Dawn« artikulierte Wortlaut »you inspire poetry in me« war hierbei ausschlaggebend für den Titel der von Andreas Lorenschat konzipierten Ausstellung. Verfasst in der eigenen Handschrift, hat der Künstler den Schriftzug »you inspire poetry in me« in vergrößerten Buchstaben aus schwarzer Klebefolie an eine der Wände des Galerieraumes angebracht. Aus dem Negativmaterial der Klebefolie hingegen hat Andreas Lorenschat eine in sich zerklüftete, amorphe Struktur gebildet, die als fotografisches Abbild gegenüber von dem Schriftbild positioniert ist, und so als eine gegenstandslose Spiegelung zur Schrift besteht.
(Christina Irrgang)