»Journey without a Map«
Gabriele Beveridge, Anja Ciupka, Eli Cortiñas, Martina Sauter, Thomas Straub und Jessica Twitchell
Eröffnung: 22. Juni 2012 von 17 bis 20.30 Uhr
Ausstellung: 23. Juni bis 20. Juli 2012
bis zum 11. August nach Vereinbarung zu sehen:
Finissage: Samstag, den 11. August von 14 bis 17 Uhr
»Journey without a Map« bedeutet eine Reise zu unternehmen, deren Verlauf nicht bekannt ist und zeugt von einer großen Bereitwilligkeit, sich vom Zufall leiten zu lassen und unbekannte Gefilde zu entdecken. Die Ausstellung vereint Positionen der KünstlerInnen Gabriele Beveridge, Anja Ciupka, Eli Cortiñas, Martina Sauter, Thomas Straub und Jessica Twitchell. Gezeigt werden Installationen, Objekte, Collagen und Zeichnungen, die, mal offenkundig mal versteckt, imaginäre Assoziationsräume öffnen und den Betrachter zu einer solchen Reise einladen. Dabei stehen neben Fragen nach Präsentationstechniken, die conditio humana, gesellschaftliche und geschlechtsspezifische Aspekte im Fokus.
Die Skulpturen und Installationen von Anja Ciupka zeichnen sich durch eine subtile, reduzierte und gleichzeitig hoch ästhetische Formensprache aus, in der sich hintersinnige Reflektionen über die Wahlmöglichkeiten und Rahmenbedingungen in unserer heutigen Gesellschaft verbergen. Sie zeigt das Werk »für Clara«, eine 8 Meter lange feine Halskette aus vergoldetem Silber, die auf Augenhöhe quer im Raum hängt. An der Kette befinden sich im Abstand von je 40 Zentimetern Anhänger aus dem gleichen Material, die in Schreibschrift 20 unterschiedliche weibliche Vornamen zeigen. Der Halsschmuck als Medium für diese Textarbeit erinnert an das Bedürfnis sich oder jemand mit einem Namen zu schmücken und den Namen als Zeichen von Identität und Individualität zu lesen. Gleichzeitig stellt die Transformation des einzelnen Schmuckstücks zugunsten einer langen Reihe von aneinander geketteten Namen diesen Versuch in Frage. Die lose Reihung der unterschiedlichen Namen erinnert auch an die scheinbar beängstigende Beliebigkeit von Namensgebungen. In »für Clara« sowie in all ihren Werken gelingt es Anja Ciupka auf leichte und oft spielerische Art den physischen Raum in Besitz zunehmen und gleichzeitigen einen Gedankenraum zu eröffnen.
In ihren Objekt-Collagen kombiniert die britische Künstlerin Gabriele Beveridge verschiedene Motive und Materialien. Diese werden aus ihrem eigentlichen Zusammenhang herausgelöst und neu zusammengefügt und entziehen sich einer einfachen Kategorisierung. Die Bildmotive schöpft sie aus ihrem Fundus an Magazinen aus den 60er und 70er Jahren und kombiniert diese in Rahmen mit Schmuck und Schaumstoff – wie in der in der Ausstellung gezeigten Arbeit »Less is pretty much the same« – aber auch mit Steinen, Stoffen, Vasen etc. Durch das sensible Zusammenführen von Bildern und Materialien entstehen anmutige Ensembles, denen jedoch auch eine Morbidität innewohnt, wodurch neue Sinnzusammenhänge geschaffen werden. Beveridge lenkt unseren Blick auf das Bild und die Rolle der Frau, die in den Magazinen wunderschön, doch als Objekt inszeniert ist. Durch die subtilen Eingriffe mit Sprühfarbe und den hinzugefügten Materialien, gelingt es Beveridge einerseits unsere Lust am schönen Objekt der Begierde zu nähren doch gleichzeitig den Blick zu verschieben und Geschlechterrollen zu hinterfragen.
Die Repräsentation weiblicher Figuren innerhalb gesellschaftlicher Konstrukte ist ebenfalls von zentraler Bedeutung im Werk der spanischen Künstlerin Eli Cortiñas, die sie in Videoarbeiten, Collagen und Objekten reflektiert. Sie arbeitet dabei ähnlich wie Beveridge überwiegend mit found footage und vorgefundenen Materialien, die ihr als visuelles Vokabular dienen, welche zu einer neuen Sprache zusammengefügt werden. Die klugen Bildmontagen und Materialkombinationen werfen dabei einen hintersinnigen, zeitgenössischen Blick auf Historisches und Aktuelles. Kopf und Herz der Künstlerin sind in den Werken zu erkennen und beides wird auch vom Betrachter beansprucht. Denn einerseits versteht Eli Cortiñas es, humorvoll und mit einem Augenzwinkern auf Geschlechterrollen hinzuweisen und Vorschläge zu liefern, um diese geistreich umzudeuten. Andererseits lässt sie poetische und teilweise melancholische Arbeiten entstehen, die uns in ihren Bann ziehen und Abgründe emotionaler Natur abzeichnen.
Neben der Collage »In the year 2000 none race car driving was taken over by women« zeigt die Künstlerin die beiden Objekte »Uncanny Home I (part II and III)«.
Martina Sauters narrativen, kinematografischen Bilder bedienen ebenfalls die Lust am Schauen und verwandeln ihren Betrachter in den Voyeur einer Szene, die er jedoch selbst nicht vollkommen überblicken kann. Die Spannung, die dadurch entsteht, wird durch die Verknüpfung verschiedener Ebenen – Filmstill und Fotografie sind passend zueinander in Bezug gesetzt – verstärkt. Wir sehen einen Bildausschnitt und die Erwartung wächst, das sehen zu wollen, was nicht mehr sichtbar ist. Doch an diesem Punkt lassen die Werke wie bspw. »Falten« den Betrachter los und das nicht Sichtbare wird zu einem Geheimnis. »Blanche« wiederum spiegelt den Betrachter in seiner Rolle als Voyeur. Wie in einem Spiegelkabinett wird der Blick des Betrachters vom Blick der Frau immer wieder zurückgeworfen.
Einblicke in das Innerste der menschlichen Seele beleuchtet auch Thomas Straub mit seiner Arbeit »o.T. (Rorschach-Test)«. Ein gefundener Holunderast diente dem Künstler dabei als Ausgangspunkt, um dann aus Lindenholz eine exakte Kopie dieses Astes anzufertigen und Original und Kopie spiegelverkehrt und ineinander übergreifend miteinander zu verknüpfen. Die Spiegelsymmetrie sowie der Titel verweisen auf den sogenannten Rorschach-Test, anhand dessen man durch die Beschreibung von Tintenklecksen das Unbewusste des Menschen zu ergründen sucht. Straub überträgt die bildliche Struktur der flachen Tintenkleckse in ein anderes Medium und in die Dreidimensionalität, wobei ebenfalls die Struktur einer räumlichen Zeichnung entsteht.
Neben Anspielungen zur conditio humana werden jedoch besonders Fragen nach Original und Kopie sowie nach Natur versus Kultur gestellt. Diese Fragen beinhalten auch den Verweis auf das Auratische eines Werkes, das einen zentralen Aspekt im Œuvre des Kölner Künstler darstellt. Dies zeigt sich ebenso in seinen anderen in dieser Ausstellung präsentierten Arbeiten. So verwandeln die »Icons« eine gewöhnliche Fotokopie zu einer Ikone und verleihen dem Alltäglichen die Aura von etwas Besonderem und Hochwertigen. In den Hohlbein Icons zeigt Straub Portraits aus einer anderen Zeit, die der Künstler mit zeitgenössischen Frisuren und Accessoires wie bspw. einer Baseball-Kappe aktualisiert und es ist erstaunlich wie wenig sich in den Gesichtern der vor Jahrhunderten lebenden Menschen verändert hat.
»SDR I« zeigt zwei übereinander gelagerte Bilderrahmen und eine versetzte Rückwand. Der Bildinhalt, also das, was eigentlich präsentiert werden soll, ist verschwunden; einzig und allein der Rahmen ist zu sehen und gibt den Blick auf die dahinter liegende Wand frei. So wird die eigentliche Erwartung durchbrochen und der Fokus auf die Präsentation gelenkt. Dieses auf den ersten Blick rein kompositorische Rahmenobjekt bezieht sich in seinen Ausmaßen genau auf das mit einem Schiebedeckel gerahmte Portrait des Hieronymus Holzschuher von Albrecht Dürer. Die hypnotische Wirkung der auf den Betrachter fixierten Augen wird durch die entpersonalisierte Leere der bloßen Glasrahmen ersetzt. Durch diese Reduktion wird die Funktion des Verbergens ins Zentrum gerückt und der Schwerpunkt vom Bild auf das Objekt verlagert.
In der Zeichnung »Wesen Form Gestaltung Oberfläche« reduziert Jessica Twitchell die reine Form auf ihr Minimum, die geometrischen Grundformen. Scharfe, harte Kanten stehen hier neben weichen Formen und Oberflächen. Die aus der Fernsicht klaren Linien lassen bei näherem Betrachten die Ausfertigung der Künstlerin erkennen. So verbindet sich analytische Rationalität mit der weichen Textur des Aquarells, Widersprüche werden zusammengefügt und vermeintliche Gegensätze erscheinen als Ganzes.
Die Verknüpfung von Kreis und Quadrat erinnert auch an den Vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci und an die daraus resultierenden Proportionsregeln dieser beiden Meister.
Die Skulptur »Kreis« besteht aus vertrauten Formen und ruft sofort verschiedenste Assoziationen hervor. Sie erinnert an ein Planetensystem, Ringe des Saturns, aber auch an ein Gerät auf einem Spielplatz, eine Konstruktion oder Ready-made. Sie greift in den Raum, wird aber gleichzeitig durch ihre runde Form in sich zurückgehalten. So entsteht ein Wechselspiel zwischen Ausdehnung und Kontraktion, zwischen Leichtigkeit und Stabilität. (Jana May und Marion Scharmann)