Andreas Lorenschat
»What’s the whatness of all whatnesses?«
Eröffnung: Freitag, 25. Januar 2013, 18–22 Uhr
Ausstellung: 26. Januar – 29. März 2013
Cologne Contemporaries Rundgang
25.01., 18–22 Uhr + 26.01., 12–18 Uhr
Künstlergespräch mit Dr. Stefanie Kreuzer
Samstag, 9. März 2013, 16 Uhr
Die Ausstellung von Andreas Lorenschat beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung der Sinnfrage: »what´s the whatness of all whatnesses?«. Der Künstler untersucht darin das Ursprüngliche – des Mensch-Seins im Allgemeinen und von Sprache und Ausdruck im Besonderen. Die Korrelation von Text, Bild und Gedankenbild ist das verbindende und zentrale Element aller gezeigten Arbeiten in den Medien Video, Fotografie, Installation und Papier.
Der ›unschuldige Blick‹ wird von Andreas Lorenschat ›vorgeführt‹ und philosophisch als auch kunsthistorisch hinterfragt. Ebenso erstellt er ein Portrait der Zeit, lässt uns das Verstreichen der Zeit spüren, aber auch Geschichte und Geschichten erleben. Obwohl oder gerade weil Biographisches als Grundlage der Werke dient, entstehen allgemeingültige Fragen (wie die Frage nach dem ›Wesen‹ der Dinge), die sich wie ein Schleier über das Persönliche legen, es verdecken, aber auch immer wieder durchscheinen lassen.
Die konzeptuellen Werke des Künstlers bedienen sich dabei einer minimalistischen und gleichzeitig poetischen ›Übersetzung‹, die in ihrem Minimalismus eine umso opulentere Gedankenwelt evoziert.
Die titelgebende Arbeit »what’s the whatness of all whatnesses?« umfasst mit der Frage der Fragen die kleinen und großen Rätsel des Lebens. Mit Kreide hat Andreas Lorenschat diesen Satz auf eine schieferfarben gestrichene Wand geschrieben, ebenso wie viele ›Washeiten‹, die den Menschen und das Leben kennzeichnen. Der Künstler hat all dies aufgetragen, ausgewischt, überschrieben, Neues hinzugefügt, verwischt, beschrieben und so weiter. So entsteht durch dieses unzählige Schichten eine Art Palimpsest. Die geschichteten Spuren, wenn auch gering oder nicht sichtbar, sind noch immer vorhanden. Sie sind zwar verborgen, doch bilden sie gewissermaßen das Fundament unter dem Sichtbaren. Das althergebrachte wie alltägliche Material Kreide wird hier zum geschichtlichen Äquivalent des zeitlichen Voranschreitens und Vergehens.
»The Drawings« zeigt eine Serie von scheinbaren Kinderzeichnungen. Andreas Lorenschat bat seine 2-jährige Tochter um Zeichnungen, die er dann zu kopieren versuchte. Mit diesen ›nachgeahmten‹ Kinderkritzeleien zeigt sich die Unmittelbarkeit und Reinheit der Kundgebung eines Kindes. Weder Wort noch Zeichen sind entzifferbar. Vielmehr der Quell eines Drangs nach Darstellung und Ausdruck spiegelt sich darin. Lorenschat begibt sich in den Versuch, Duktus, Bewegung und Anmutung der Kinderzeichnung nachzuahmen. Doch das Imitieren des kindlichen Zeichnens, das befreit ist von Bedeutungszusammenhängen wird durch den Versuch eines reflektierten Nachahmungsprozess zum expliziten Scheitern. Die Werke zeigen, dass der Versuch ein ›unschuldiges Auge‹ zu kopieren zwar einerseits gelingt, da der Betrachter den Unterschied nicht erkennen kann, aber im Kern doch scheitert, da die jeweiligen Herstellungsprozesse unterschiedlicher nicht sein könnten.
Geheimnisvoll schält sich auf der Fotografie »Der Wirbel« eine halbkreisartige Form aus dem Dunkel, die erst bei näherem Betrachten erkennbar wird. Feine Linien ordnen sich spiralförmig um ein Zentrum an und lassen eine festgehaltene Kreisbewegung, einen Strudel, einen sich drehenden Gegenstand vermuten. Dynamik, die sich materialisiert ohne sich aufhalten zu lassen und nach außen strebt. Zu sehen ist eine Signatur – ein Portrait des Wesens.
»father,« in goldenen Lettern mutet an wie der Auftakt eines Prozesses. Ist die Rolle des Familienvaters oder die des Künstlers als Schöpfer gemeint? Oder sogar Gottvater? Jenseits dieser Bedeutungsvielfalt und der Überhöhung durch die Vergoldung der Schrift, erzeugt das Komma eine Ansprache, die an einen Brief oder Mahnung erinnert, die im Kontext der Ausstellung wiederum auf den Künstler und den Schaffensprozess selbst verweist – den Beginn einer Kommunikation innerhalb der Befragung nach dem Wesen und Ursprung aller Dinge.
In Petersburger Hängung führt die Arbeit »The Collection« eine Bilderwand im Stil des ›Salon‹ vor. Der Teppichboden unterstreicht den wohnlichen Charakter und verweist ebenso auf eine Wand in einem privaten Haushalt, mit persönlichen Bildern, die Erinnerungen einrahmen und das Leben des hier wohnenden widerspiegeln. Andreas Lorenschat greift auch hier zurück auf seine individuelle Welt, da privates Bildmaterial aus der Familie des Künstlers den Beschreibungen zugrunde liegt. Doch die sehr persönlichen Bilder werden durch Umwandlung des Visuellen in Leerstellen mit Textpassagen zu allgemeingültigen ›Abbildungen‹, die uns alle betreffen können. Die Arbeiten aus »The Collection« sind individuell und spiegeln Biographisches des Künstlers, doch gleichzeitig werden sie zu einem kollektiven Gut, das uns alle anspricht und berührt.
Die Videoinstallation »Die Oma« zeigt ein Portrait der Großmutter des Künstlers in einer einzigen 60-minütigen Frontaleinstellung, die geloopt ist. Das Videoportrait erzeugt ein ›Tête-à-tête‹ zwischen Betrachter und Großmutter in der sich die Positionen des Betrachters und des Betrachteten ständig verschieben. Der Künstler verweist auf die verschiedenen Bedingtheiten des Zeitlichen: Das Vergehen von Zeit, das Voranschreiten, das Altern und die damit verbundenen Geschichten und somit Geschichte – das zeitlich Erlebte, das Vergangene, aber auch das Erinnern: Der zeitliche Blick nach vorne und zurück erzeugt ein objektives Bezugssystem innerhalb der gezeigten Arbeiten der Ausstellung. Es entstehen Verweise über den persönlich biografischen Bezug hinaus auf das Älter-Werden als Bedingung des Lebens und auf den Menschen als lebender Geschichtsträger und dessen Verschwinden.